Gedanken zum Verliebtsein und der Liebe:
Das Zusammenpassen von Variablen wie Alter, soziale Schicht, Sprache, kultureller
und religiöser Hintergrund oder charakterliche Eigenheiten wie die Ergänzung der
Temperamente sind begünstigende Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Beziehung.
Damit alleine aber tritt Verliebtheit nicht auf. Damit man sich verliebt braucht
es dynamische Voraussetzungen, d.h. es braucht den Kick der Erfüllung tiefster Sehnsüchte
nach Liebe, oder wie es Jürg Willi sagt ‚ das Evidenzgefühl des Einmaligen und nicht
wiederholbaren Dramas der Liebe. D.h. es ist nicht das statistische Passen vom Schlüssel
zum Schloss, die Ergänzung von Eigenschaften, sondern ein mystischer Prozess: Zwei
Suchende haben eine Vision, die Vision, miteinander einen Weg finden zu können, zwei
Menschen eröffnen einander eine langersehnte Lebensperspektive.
Er ist unbewusst und willkürlich.
Verliebtheit kann schlagartig eintreffen,
oder wie Gruenenbaum (1997) sagt, Verliebtsein
kann einem befallen wie eine Krankheit, anspringen wie ein Panther, auftreten in
den unangebrachtesten Momenten und zu den unangemessensten Personen wenn das Gefühl
da ist, dass er oder sie die / der Richtige ist. Verliebtheit kann aber auch nach
einer längeren Phase der Bekanntschaft eintreten. In beiden Fällen spielen Gedanken,
wie das ist die Person, auf die ich immer gewartet habe. Oder: das ist die Person,
welche es mir möglich macht, all das, was ich in den Zeiten der Sehnsucht bereitgestellt
habe, nun ins Leben zu einzubringen, eine zentrale Rolle. Während der Verliebtheitsphase
verspürt man das Gefühl, dass die geliebte Person es möglich macht, sich selber zu
entwickeln, weil sie an einem selber glaubt, die Unterstützung anbietet und den Mut
dazu gibt.
Diese Gefühle entstehen auf der Gegenseite auch für den Partner und vermittelt einem
einen ebenso attraktive Bestätigung des eigenen Selbstwertes: Man denkt, ich bin
die Person, die es dem anderen möglich macht, ich weiss, wie man sie unterstützen
kann, wie man aus ihr etwas machen kann und ich verstehe es, ihr Mut zu verleihen,
Aber auch der Glaube, den Schlüssel zum Herzen der anderen Person als Einziger /
als Einzige gefunden zu haben.
Verliebtsein ist eine der intensivsten Stimulationen persönlicher Entwicklungen im
Erwachsenenleben. Menschen können sich in jedem Lebensalter verlieben.
Von der Verliebtheitsphase in die Liebe überzugehen ist ein fliessender Prozess.
Es geht darum, dass wir das in der ersten Phase verzerrte, meist illusorische Bild
des Gegenübers revidieren.
Ob aus einer flüchtigen Verliebtheit eine ernsthafte Partnerschaft wird hängt dann
von Faktoren wie der soziale Status des anderen, seine Herkunft, ob bereits Kinder
vorhanden sind, Zukunftsplänen und Berufsaussichten, Lebenseinstellung, Werthaltung
und Lebensziele ab. Besonders wichtig ist die intuitive Einschätzung des Selbstwertgefühls
des anderen. D.h fühle ich mich ihm gewachsen oder bin ich von ihm unterfordert?
Steht das, was ich anzubieten habe im Verhältnis zum Gebotenen. Wichtig ist auch
das Gefühl, vom anderen gebraucht zu werden und in seinem Leben einen wichtigen Platz
einnehmen zu können.
Oft ist es so, dass das, was einem in der realistischen Phase des Liebesprozesses
nun stört einem ursprünglich als besonders Begehrenswert erschien (z.,B. zu introvertierter
Mann wählt nicht selten eine Frau, die extrovertiert, zu emotional ist). Das heisst
nicht, dass man in der Verliebtheitsphase blind war, sondern dass die Charaktereigenschaften
eine andere Bedeutung hatten.
Es ergeben sich 3 Möglichkeiten, weshalb das einem ursprünglich Anziehende sekundär zum Störfaktor geworden ist:
- man hofft sich unter diesen Eigenheiten des Partners besser entfalten zu können, sekundär aber erlebt man sie als bedrohlich oder störend
- die Defizite des andern wirkten besonders attraktiv, weil man glaubte ihm bei deren Überwindung helfen zu könnenn
- die Wiederkehr gemeinsam verdrängter Entwicklungen kommen hoch
Eine Partnerbeziehung ist ein ununterbrochener Prozess des Einander-Suchens und Sich-Einander-Erklärens.
In Studien von Willi konnte gezeigt werden, dass die Intensität des Verliebtseins
positiv mit der späterenZufriedenheit in der Partnerschaft zusammenhängt. D.h. je
mehr man zu Beginn verliebt gewesen ist, desto eher ist man auch später immer noch
zufrieden. Weil die Erfahrung in der Verliebtheitsphase, nämlich dem Anderen als
unverwechselbar und einmalig zugehörig zu sein, eine wichtige Basis bietet.
Allgemein ausgedrückt ist Liebe ein Bindungsgefühl. Als Bindungsgefühl stützt sich
die Liebe auf das Für-Einander-Da-Sein, es schliesst aber auch Zärtlichkeit, Güte
und Wohlwollen ein.
Die psychologische Grundlage der Liebe ist das wechselseitige Vertrauen, das gegenseitige
Verstehen und Opfer-resp. Kompromissbereitschaft.
Und was tun, damit die Liebe nicht erlischt?
Es gibt verschiedenste Autoren, welche sich damit beschäftigen, was man tun kann,
damit die Liebe nicht erlischt.
Es konnte gesehen werden, dass glückliche Partnerschaften
auf eine tiefe Freundschaft gegründet sind. Damit ist
gegenseitiger Respekt und Freude
an der Gemeinschaft mit dem anderen gemeint. Diese Partner kennen einander meist
sehr genau, sie sind alle sehr vertraut mit den Vorlieben, Abneigungen, persönlichen
Eigenarten, Hoffnungen und Träumen des anderen. Sie pflegen eine ständige Achtung
voreinander und geben dieser Zuneigung nicht zu besonderen Anlässen Ausdruck, sondern
in den kleinen Dingen, tagein, tagaus.
Man kann seinen Partner offensichtlich nur dann auf Dauer lieben, wenn er diese Liebe
auch erwidert. Der ‚unglücklich’ Liebende (wie etwas Goethes Werther) ist zwar eine
populäre, vielleicht sogar edle Romanfigur, in unserem eigenen Leben möchten wir
allerdings sicherlich nicht mit ihr tauschen.
Joëlle Gut-Lützelschwab, lic phil Psychotherapeutin FSP, Juli 2007
|